Albert Speer und Adolf Hitler bei einer Unterredung im Führerhauptquartier, Berlin 1942.
Spätestens 1944 war die Niederlage Deutschlands abzusehen. Warum kämpften die Deutschen trotzdem weiter – auch, als ein Sieg längst aussichtslos war und der anhaltende Krieg nur noch mehr Menschenleben forderte und mehr Zerstörung brachte? Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Ein wichtiger Aspekt ist aber, dass Hitler selbst eine Kapitulation nie in Betracht zog. In seiner totalitären Logik gab es nur Sieg oder Zerstörung.
Schon im Februar 1942 hatte Hitler geäußert: “Wenn das deutsche Volk nicht bereit ist, sich für seine Selbsterhaltung einzusetzen, gut: dann soll es verschwinden.“ Und auch im März 1945 hatte er seine Meinung nicht geändert. Er wird im Gespräch mit Albert Speer so zitiert: „Wenn der Krieg verloren geht, werde auch das Volk verloren sein. Es sei nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das Volk zum primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil sei es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hätte sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehöre dann ausschließlich die Zukunft. Was nach dem Kampf übrig bleibt, seien ohnehin die Minderwertigen; denn die Guten seien gefallen.“
Vor diesem Hintergrund lautete die Weisung an die Deutschen: Kämpfen “bis zum letzten Mann”, Durchhalten auf Gedeih und Verderb. Mit immer verzweifelteren Maßnahmen versuchte man, den übermächtigen Alliierten noch die letzte Kampfkraft entgegenzusetzen und den Verteidigungswillen der Deutschen aufrechtzuerhalten. Im September 1944 wurde der “Deutsche Volkssturm” gebildet und damit alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum Kampf aufgerufen. Im März 1945 wurde noch der Geburtsjahrgang 1929 zur Wehrmacht eingezogen, und schließlich wurden sogar noch 12-Jährige Hitlerjungen in den Häuserkampf geschickt.
Alle, die den Befehlen entgegen handelten und damit die “deutsche Kampfkraft oder Kampfentschlossenheit gefährdeten”, mussten mit den schlimmsten Strafen rechnen. Viele fanden die Befehle und Durchhalteparolen sinnlos und absurd, und sehnten das Kriegsende herbei, um noch zu retten, was zu retten war. Andere folgten dem “Führer” blind und fanatisch, manche bis in den Tod. So war der Bann erst gebrochen, nachdem Hitler am 30. April 1945 Suizid begangen hatte. Die bedingungslose Kapitulation trat am 8. Mai in Kraft.
Durchhalteparole („Jetzt geht’s ums Ganze – wir schaffen es doch“) am Eingang eines zerstörten Geschäftshauses in Berlin Mitte, 13. April 1945.
Ein älterer Volkssturmmann mit Gewehr, 1944.
Im September 1944 wurde der “Deutsche Volkssturm” gebildet. Diese militärische Formation bestand aus waffenfähigen Männern zwischen 16 und 60 Jahren, die eigentlich von der Wehrpflicht entbunden waren: Aufgrund ihres Alters, da sie noch zu jung oder schon zu alt für die Wehrmacht waren; wegen ihrer “Unabkömmlichkeit” für die Kriegswirtschaft (z. B. weil sie in der Rüstungsindustrie gebraucht wurden) oder weil sie aus anderen, z. B. gesundheitlichen Gründen als “nicht verwendungsfähig” eingestuft worden waren. Zumeist waren es jugendliche Hitlerjungen und ältere Männer, die für den Volkssturm rekrutiert und auf Adolf Hitler vereidigt wurden, mit dem Ziel, die Wehrmacht zu verstärken und den “Heimatboden” zu verteidigen. Für eine gründliche militärische Ausbildung war keine Zeit mehr, Waffen und anderes Kriegsmaterial waren fast nicht mehr zu bekommen.
Den Volkssturmmännern konnten nicht einmal mehr Uniformen zur Verfügung gestellt werden, sie machten sich daher mit Armbinden kenntlich. Die militärische Bedeutung des Volkssturms war nur sehr gering, seinen Zweck konnte er nie erfüllen. Manche ergaben sich völlig demoralisiert sofort bei “Feindberührung”; andere aber kämpften mit fanatischem Willen, angestachelt von propagandistischen Durchhalteparolen und panischer Angst vor der Rache der Roten Armee, zuletzt auch in der finalen “Schlacht um Berlin”. Die Verluste waren sehr hoch. Es waren wohl über hunderttausend Angehörige des Volkssturms, die einen sinnlosen und vermeidbaren Tod starben, hätte die NS-Führung Verantwortung für die schon bei Gründung des Volkssturms klar erkennbar bevorstehende Kriegsniederlage übernommen. Doch Hitler waren die menschlichen Verluste egal. Seiner fanatischen Auffassung nach, hatten die “versagenden” Deutschen vor der sich abzeichnenden Niederlage nichts anderes verdient.
Als Endphaseverbrechen bezeichnet man nationalsozialistische Verbrechen, die in den letzten Tagen, Wochen und Monaten vor der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 begangen wurden. In dieser Zeit rückten die Alliierten Truppen – die englische, amerikanische, französische sowie die sowjetische Armee – in Deutschland vor und befreiten nach und nach die deutschen Städte und Gemeinden.
Viele Deutsche wollten ihre Wohnorte kampflos an die Alliierten übergeben, um nicht noch mehr Opfer und Zerstörung in einem ohnehin sinnlosen Kampf zu riskieren. Doch Handlungen wie das Hissen einer weißen Fahne zum Zeichen der Kapitulation, das Abräumen von Panzersperren oder auch nur das Anzweifeln des propagierten “Endsiegs” liefen dem, was die NS-Führung einforderte, zuwider und wurden drastisch bestraft. Standgerichte, die ab Februar 1945 gebildet werden konnten, sprachen zahllose Todesurteile aus – mit abschreckender Wirkung. Noch im März 1945 erging Himmlers “Flaggenerlass”, auf dessen Grundlage Menschen erschossen werden sollten, an deren Häusern weiße Fahnen gehisst wurden. Typischerweise werden zu dieser Opfergruppe deshalb Menschen gezählt, die vor dem genannten Hintergrund z. B. der Desertion, “Wehrkraftzersetzung” oder “defätistischer Äußerungen” beschuldigt und ermordet wurden, unter ihnen häufig Soldaten und Zivilist:innen.
Zu der Opfergruppe gehören außerdem KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter:innen, die angesichts der absehbaren deutschen Kriegsniederlage gezielt ermordet wurden, wie beispielsweise Widerstandskämpfer, die am Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt waren und noch im April 1945 ermordet wurden, oder KZ-Häftlinge, die zu tausenden auf Todesmärsche geschickt wurden.
Verordnung über die Errichtung von Standgerichten vom 15. Februar 1945.
Flugblatt an die Berliner Bevölkerung mit Warnung vor der Schwächung der Widerstandskraft, Berlin, 22. April 1945.
Täter:innen von Endphaseverbrechen waren sowohl unter den Angehörigen von NS-Organisationen wie Wehrmacht und SS zu finden, als auch unter unorganisierten Bürger:innen. Oft waren es “Durchhaltefanatiker:innen”, die ungebrochen verblendet an den von der NS-Propaganda verbreiteten “Endsieg” und den “Heldentod” glaubten.
Standgerichte machten es möglich, die Todesstrafe sofort zu vollstrecken. Vor diesem Hintergrund wurden Tausende noch in den letzten Kriegsmonaten erschossen oder erhängt. Manchen hängte man Schilder um den Hals, um die Menschen öffentlich abzuschrecken: “Ich hänge hier, weil ich nicht an den Führer glaubte”, stand beispielsweise auf den Schildern. Dieses brutale Zurschaustellen hatte durchaus Erfolg: Die begründete Angst vor der Todesstrafe hielt viele Menschen davon ab, Widerstandshandlungen durchzuführen.
Als der letzte Kriegstag in Ansbach anbricht, will Robert aktiv dazu beitragen, seine Heimatstadt friedlich und ohne Widerstand den Amerikanern zu übergeben, um das sinnlose Sterben und die Zerstörung der Stadt zu verhindern. Doch das NS-Regime funktioniert auch an diesem letzten Kriegstag: Als er eine Telefonleitung kappt, wird er von Hitlerjungen beobachtet und denunziert. Ein fanatischer Kampfkommandant verurteilt ihn auf der Stelle zum Tode. Nur wenige Stunden bevor die Amerikaner eintreffen, wird Robert am Ansbacher Rathaustor gehängt und zum Opfer der sogenannten Endphaseverbrechen.
Autorin: Lena Knops
Fritz Bauer Institut (Hg.), Endphasenverbrechen und frühe Strafverfolgung. Mit Beiträgen von Sven Keller, Claudia Bade, Sybille Steinbacher, Daniel Blatman, Edith Raim (Einsicht 13, Frühjahr 2015), online verfügbar:
fritz-bauer-institut.de/.
Galaktionow, Barbara, Wer am Endsieg zweifelt, wird gehängt (2015), online verfügbar: sueddeutsche.de/.
Kistler, Helmut, Der Zusammenbruch des Dritten Reiches (2005), online verfügbar: bpb.de/.
Vogel, Thomas, Endphase und Kriegsende (2015), online verfügbar: bpb.de/.
Zum Volkssturm: deutschlandfunk.de.
Zeitzeugenbericht zu Befehlsverweigerung im Volkssturm: zeitzeugen-portal.de.
Keller, Sven, Volksgemeinschaft am Ende. Gesellschaft und Gewalt 1944/45 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 97), München 2013.
Kershaw, Ian, Das Ende. Kampf bis in den Untergang – NS-Deutschland 1944/45, München 2011.
Durchhalteparole zwischen Trümmern
Autor:in unbekannt, Berlin, Durchhalteparole zwischen Trümmern, 13.04.1945, Bundesarchiv, Bild 183-J31423, unverändert, online verfügbar: wikimedia.org. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE DEED.
“Führerbefehl”
Flugblatt “Führerbefehl” vom 22.04.1945 © Deutsches Historisches Museum, Berlin
Reichsgesetzblatt, Standgerichte
Reichsgesetzblatt 1945, Teil I., Seite 30, VO über die Errichtung von Standgerichten vom 15. Februar 1945, gemeinfrei.
Robert Limpert Portrait
Robert Limpert Portrait, © Alexander Biernoth, Ansbach.
Speer und Hitler
Heinrich Hoffmann, Albert Speer und Adolf Hitler, Berlin, Juni 1942, Bundesarchiv, Bild 183-H25833, unverändert, online verfügbar: wikimedia.org. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE DEED.
Volkssturmmann mit Gewehr
Falkowski, Volkssturmmann mit Gewehr, 1944, Bundesarchiv, Bild 146-1979-107-09, unverändert, online verfügbar: wikimedia.org. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE DEED.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen