Heinrich sah sich nach seiner Befreiung, der neun Jahre Gefängnis- und KZ-Haft vorausgegangen waren, zurecht als ein Verfolgter des Nationalsozialismus und daher berechtigt, in der neuen Bundesrepublik Entschädigungsleistungen zu erhalten. Dass seine wiederholten Inhaftierungen und das Einsperren in Buchenwald objektives Unrecht waren – daran kann niemand ernsthaft zweifeln. Doch Heinrichs Familie ist mit ihrem Kampf für ein gerechtes Entschädigungsverfahren, den Heinrichs Witwe Irmgard im Grunde bis zu ihrem Tod im Jahr 2006 führte, und der bis zur höchsten Instanz, dem Bundesgerichtshof ging, gescheitert.
Die Entschädigungsbehörden griffen gerne und ganz selbstverständlich auf Gerichtsurteile aus der Nazizeit zurück, um Antragsteller zu diskreditieren und ihnen ihren Status als Verfolgte des Naziregimes, als Opfer und Überlebende, abzusprechen. Mehrere Gerichte unterstellten Heinrich, nicht etwa aus seiner politischen Überzeugung heraus, sondern aufgrund von Enttäuschung, Verbitterung und Trunkenheit die Äußerungen getan zu haben, die ihn ins Gefängnis und Konzentrationslager brachten. Nicht nur, dass man ihm unterstellte, er sei selber Schuld an seinem Unglück – man benutzte auch dieselbe Diktion, wie sie die Nazis in den Jahren zuvor benutzt hatten.
Ein Gefühl dafür, dieses Material in einem neuen, demokratischen Deutschland nicht mehr nutzen zu können, eine Haltung, die dieses verbietet, ist tatsächlich kaum anzutreffen. Eine echte Abgrenzung von dem, das in der Nazizeit angerichtet worden ist, gab es nicht.
Kein Wunder, angesichts der Tatsache, dass viele der ehemaligen Entscheidungsträger in Justiz und Verwaltung, oft genug ohne dass sie zur Verantwortung gezogen worden waren, nach dem Krieg in ihre Funktionen zurückgekehrt waren und ihre Karrieren ungerührt weiter verfolgten. Auch der sechsköpfige Senat des Bundesgerichtshofs, der im Jahr 1956 über Heinrichs Fall verhandelte, bestand bis auf eine Ausnahme aus ehemaligen NSDAP-Parteigenossen und bezog sich in seiner Urteilsbegründung auf vorangegangene Rechtsprechung aus der NS-Zeit.
Am Ende spiegelt diese versuchte und gescheiterte „Wiedergutmachung“ ein bitteres Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte wider. Heinrich hat die Art und Weise, wie man im Entschädigungsverfahren mit ihm umging, als Fortsetzung der Verfolgung mit anderen Mitteln gesehen.