Mussolini grüßt die Menge vom Balkon der Casa del Fascio (Parteisitz) in Fiume, Juni 1939.
Italien war eine konstitutionelle Monarchie, und Viktor Emanuel III., seit 1900 König von Italien, mit weitreichenden politischen Kompetenzen ausgestattet. Aufgrund einer inneren Krise nach dem Ersten Weltkrieg, und weil er einen Bürgerkrieg befürchtete, übertrug Viktor Emanuel 1922 dem Faschistenführer Benito Mussolini das Amt des Ministerpräsidenten und duldete in der Folge die Etablierung einer Diktatur. Als 1933 die Nationalsozialist:innen in Deutschland an die Macht kamen, hatte sich diese bereits seit einigen Jahren gefestigt und der Diktator, Benito Mussolini, war auf dem Zenit seiner Macht.
Schon in den 1920er Jahren bewunderte Hitler den „Duce“, seine bombastischen Militärparaden und ausdrucksstarken Reden, und unternahm mehrere Versuche einer Kontaktaufnahme, die zunächst scheiterten. Trotz einiger Gemeinsamkeiten – auch der italienische Faschismus umspannte die Themen Expansion, Antikommunismus und Antisemitismus, wobei letzteres nicht dieselbe grundlegende Rolle wie in Deutschland spielte – waren die Interessen Deutschlands und Italiens zu Beginn der 1930er Jahre eher unterschiedlicher Natur, vor allem in der Außenpolitik. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Italien blieb darum auch nach der nationalsozialistischen Machtübernahme zunächst noch distanziert. Als Hermann Göring im April 1933 mit Mussolini zusammentraf, um die Unterstützung Italiens bei der geplanten Annektion Österreichs abzusichern, stieß Göring unerwartet auf Ablehnung. 1934 traf Hitler sein Idol zum ersten Mal persönlich in Venedig – der erste von 17 gegenseitigen Besuchen. Von einer Freundschaft der beiden Diktatoren kann man nicht sprechen. Beide verfolgten ihre jeweils ganz eigenen Interessen.
Die Beziehung zwischen Deutschland und Italien veränderte sich, als beide 1936 in den Spanischen Bürgerkrieg. eingriffen, um Francisco Franco zu unterstützen, und dadurch militärisch auf derselben Seite standen. In den folgenden Jahren näherten sich die Länder politisch, wirtschaftlich und militärisch immer weiter an, mit dem Ziel, Europa im faschistisch-nationalsozialistischen Sinne umzubilden. Im Oktober 1936 unterzeichneten Deutschland und Italien ein geheimes Kooperationsabkommen, woraufhin Mussolini zum ersten Mal öffentlich die Metapher von der „Achse Berlin-Rom“ nutzte, um die sich die Welt zukünftig drehen werde. Ein Jahr darauf, im November 1937, trat Italien dem Antikominternpakt bei, den Deutschland und Japan geschlossen hatten. Es folgten weitere deutsch-italienische Abkommen, in denen z. B. die gegenseitige Wirtschaftshilfe im Kriegsfall zugesichert wurde, und schließlich auch die Unterzeichnung des sogenannten “Stahlpakts” im Mai 1939 sowie des “Dreimächtepakts”, gemeinsam mit dem dritten Verbündeten Japan, im September 1940.
Hitler und Mussolini in einem Auto vor dem Pantheon in Rom, Mai 1938.
Die Annäherung der Länder war auch in der Bevölkerung spürbar, so wurden auch Reisen staatlich gefördert, z. B. durch die Organisation “Kraft durch Freude”. Etwa eine halbe Million zivile italienische Arbeiter:innen fanden zwischen 1938 und 1943 eine Anstellung in Deutschland, in den ersten beiden Jahren zunächst in der Landwirtschaft, ab dem Kriegseintritt Italiens 1940 dann meist in Industriebetrieben, wo sie zur deutschen Kriegswirtschaft beitrugen.
Hitler und Mussolini bei einer militärischen Lagebesprechung, Ukraine, August 1941.
Mussolini versprach sich, indem er sich an Hitlers Seite stellte, im Falle des erwarteten deutschen Sieges bei einer Umverteilung Europas Vorteile für Italien herauszuholen. In den Jahren 1939 und 1940 hoffte er, sich durch einen eigenen Kriegsgewinn in Hitlers Augen zu profilieren. Beide Partner verfolgten also ihre nationalen Interessen, anstatt das Bündnis durch eine gemeinsame Strategie oder klar definierte Ziele zu stärken. Doch schon zu Beginn des Jahres 1941 war Mussolinis Parallelkrieg gescheitert. Während der folgenden Kriegsjahre wurden Hitlers Erwartungen von Mussolini immer mehr enttäuscht. Bald stellte sich heraus, dass das italienische Militär den gemeinsamen, mehr und mehr unter deutscher Führung durchgeführten Operationen, wie etwa in Griechenland und Jugoslawien im Frühjahr 1941, nicht gewachsen war. Das hatte mehrere Gründe – einer davon war die mangelhafte militärische Ausrüstung der Italiener, die beispielsweise bei Kampfhandlungen in Nordafrikas Sandwüsten regelrecht unbrauchbar war. Im Winter 1940/41 wurde die Überlegenheit der Alliierten augenscheinlich. Mussolini hatte schwere Verluste zu verzeichnen und musste Hitler um Hilfe bitten, was das Mächteverhältnis noch weiter zugunsten Deutschlands verschob, und deutsche Ressourcen nun in Kriegsgebieten band, wo sie eigentlich nicht eingeplant waren. Das führte zu Missstimmung auf beiden Seiten.
Deutschland hatte sich auf den Fall, dass Italien z. B. durch Kapitulation aus dem Bündnis ausscheiden könnte, monatelang detailliert vorbereitet. Als sofortige Reaktion auf die Bekanntgabe des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten am 8. September 1943 wurde der “Fall Achse” in Gang gesetzt. Innerhalb kürzester Zeit gelang es der Wehrmacht, Teile Italiens, darunter auch die Hauptstadt Rom, und von Italien besetzte Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Viele italienische Einheiten konnten von der Wehrmacht geradezu überrumpelt werden, da sie in den chaotischen ersten Tagen nach dem Waffenstillstand oft noch keine neuen Anweisungen erhalten hatten.
Antrieb und Rechtfertigung für viele deutsche Soldaten war die von Hitler, der Führungsriege und dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) propagierte Behauptung, Italien habe Deutschland „verraten” und müsse wegen des Seitenwechsels bestraft werden. Damit knüpften sie an noch immer bestehende alte Vorurteile und Hassgefühle in der deutschen Bevölkerung gegen die italienische Bevölkerung an, deren Ursprung im Ersten Weltkrieg lag: Damals hatte Italien Deutschland den Krieg erklärt, obwohl noch ein Bündnis aus dem Jahr 1882 bestanden hatte – das jedoch im Ersten Weltkrieg nicht mehr wert war, als das Papier, auf dem es geschrieben stand.
Deutsche Besetzung Mailands: Ein Panzer IV vor dem Mailänder Dom, September 1943.
Eine italienische Einheit in Argostoli (Kefalonia), Frühjahr 1941.
Über eine Million italienische Soldaten legten in Italien und in den von Italien besetzten Gebieten in Frankreich, Griechenland und auf dem Balkan die Waffen nieder. Rund 200.000 gelang die Flucht vor der Gefangennahme der Deutschen, ein kleiner Teil schloss sich Partisanenverbänden an. Die deutsche Wehrmacht nahm rund 650.000 italienische Soldaten gefangen, entwaffnete und verschleppte sie, oft unter menschenunwürdigen Bedingungen, ins Deutsche Reich und die besetzten Gebiete. Vor die Wahl gestellt, entweder an der Seite der Deutschen weiterzukämpfen oder die Waffen abzugeben und nach Italien zurückzukehren, entschied sich die überwiegende Mehrheit trotz zum Teil massiven Drucks für letzteres – fand sich dann jedoch entgegen den Versprechungen der Deutschen auf einem Transport Richtung Deutschland und nicht in die Heimat wieder. Sollte von einem „Verrat” in den deutsch-italienischen Beziehungen die Rede sein, wäre er hier zu finden – in dieser systematischen Täuschung der Deutschen. Allein rund 13.000 Italiener starben auf dem Weg nach Deutschland, viele von ihnen auf völlig überladenen Transportschiffen. Die Wehrmacht verübte auch innerhalb der Militäroperation “Fall Achse” schreckliche Kriegsverbrechen, wie beispielsweise auf der griechischen Insel Kefalonia, wo die italienische Division Acqui zehn Tage lang entschlossen gegen die Wehrmacht gekämpft hatte – bis Hitlers Zorn so weit erregt war, dass er persönlich befahl, keine Gefangenen zu machen. In einem Massaker wurden am 21. und 22. September 1943 rund 5.200 italienische Soldaten erschossen.
Das „Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen“, das im Jahr 1929 von Vertretern aus 46 Staaten in Genf unterzeichnet wurde, bildete die völkerrechtliche Grundlage für die Behandlung von Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg – in der Theorie. Es war geschlossen worden, weil man Lehren aus der Behandlung von Kriegsgefangenen während des Ersten Weltkriegs ziehen wollte. Damals waren 6 bis 8 Millionen Menschen in Kriegsgefangenschaft geraten – so viele, dass mehrere kriegführende Länder, darunter auch das Deutsche Reich, völlig überfordert damit waren, sie angemessen unterzubringen. Sie litten in der Folge unter menschenunwürdiger Unterbringung, mangelnder Versorgung und Hygiene sowie Misshandlungen durch ihre Bewacher.
In der Praxis sah es während des Zweiten Weltkriegs so aus: Japan und die Sowjetunion, zwei der kriegführenden Nationen, hatten das Abkommen von 1929 nicht unterzeichnet und hielten sich folglich auch nicht daran. Deutschland hatte unterzeichnet, missachtete den Völkerrechtsvertrag dennoch in größten Teilen, besonders rücksichtslos gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen. Das NS-Regime hatte ständigen Bedarf an einer gewaltigen Anzahl an Arbeitskräften, um die Kriegswirtschaft am laufen zu halten, und deshalb größtes Interesse daran, ihre Kriegsgefangenen in der Rüstungsindustrie einzusetzen – doch genau das war durch das Abkommen von 1929 verboten. Das Regime umging das Verbot, indem der Status der Kriegsgefangenschaft formal aufgehoben wurde. So erging es u. a. rund 400.000 polnischen Soldaten, die nach dem Überfall auf Polen 1939 kurzerhand zu Zivilarbeitern erklärt wurden, oder auch den kriegsgefangenen italienischen Soldaten. Das Abkommen aus dem Jahr 1929 gilt heute nicht mehr. Es wurde abgelöst durch die Genfer Konventionen von 1949, die von 196 Staaten unterzeichnet wurden.
Artikel 31 des „Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ von 1929 verbietet den Arbeitseinsatz von Kriegsgefangenen in der Rüstungsindustrie.
Drei belgische Kriegsgefangene im Oflag II A mit Versorgungspaketen des Roten Kreuzes, ca. 1942.
Die italienischen Soldaten galten zuerst als Kriegsgefangene, womit sie unter besonderem völkerrechtlichen Schutz nach den Genfer Konventionen von 1929 standen. Doch das NS-Regime entschied sich am 20. September 1943 für einen ungewöhnlichen und folgenreichen Schritt: Den italienischen Soldaten wurde der Status als Kriegsgefangene entzogen. Stattdessen wurden sie zu “Italienischen Militärinternierten” (IMI) erklärt, ein völlig neu geschaffener Status. Damit wurden sie als Militärangehörige eines befreundeten Staates, nämlich Mussolinis Sozialrepublik, betrachtet. Aus Sicht des NS-Regimes war die Statusänderung aus mehreren Gründen von Vorteil. Der wichtigste Grund war: Das NS-Regime konnte die Arbeitskraft der Italiener nun ungehindert für die oft körperlich besonders anstrengende Rüstungsindustrie ausbeuten, wovor sie als Kriegsgefangene nach dem „Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ aus dem Jahr 1929 eigentlich geschützt worden wären. Die Statusänderung trug dazu bei, diese Ausbeutung zu verschleiern, denn es war für das Regime wichtig, dass die italienische Zivilbevölkerung der deutschen Besatzungsherrschaft nicht zu negativ gegenüberstand, da noch mehr Arbeitskräfte aus Italien angeworben werden sollten. Goebbels notierte zufrieden in sein Tagebuch, der italienische Waffenstillstand sei „ein gutes Geschäft“ gewesen.
Die Statusänderung hatte ausschließlich negative Folgen für die italienischen Armeeangehörigen: Das NS-Regime sah sich nicht einmal in der Verantwortung, für die Arbeit der Italiener denselben spärlichen Lohn zu bezahlen, den rekrutierte Arbeitskräfte aus anderen Ländern bekamen. Hinzu kam, dass nun auch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) nicht mehr für ihre Betreuung, das heißt beispielsweise ihre Versorgung mit Lebensmittelpaketen und Medikamenten sowie ihren Postverkehr zuständig war, was ihre Lebenssituation weiter deutlich verschlechterte. So mussten sie auch im kalten Winter in ihren Sommeruniformen arbeiten, in denen sie gefangen genommen worden waren, man gab ihnen keine warmen Kleidungsstücke. Statt dem IKRK war nun Mussolinis Sozialrepublik Schutzmacht über die IMI. Zwar wurden von dieser Seite aus große Anstrengungen unternommen, ein Hilfsdienst gegründet und Hilfsgüter geschickt, diese konnten jedoch nur stark verzögert und in unzureichender Menge in Empfang genommen werden. Mussolinis Marionettenstaat war der Aufgabe nicht gewachsen, zudem blockierte das OKW die Hilfsmaßnahmen.
Die IMI wurden häufig besonders schlecht und feindselig behandelt, weil der Vorwurf des „Verrats” Italiens nach dem Ausscheiden aus der Achse, der bestraft werden müsse, weiter aufrechterhalten wurde. Das NS-Regime forderte maximale Arbeitsleistungen von den IMI, gleichzeitig wurden sie aber – als zusätzliche Bestrafung – nur völlig unzureichend mit Nahrungsmitteln versorgt. Das Regime nannte das zynisch “Leistungsernährung”. Die Folgen waren Schwäche, Abmagerung, und ein Anstieg an Krankheiten, häufig Tuberkulose. Ein körperlich schwer belasteter Arbeiter konnte damit nicht auskommen und die hoch gesteckten Leistungsziele dementsprechend nicht erreichen. Ein Paradox, das viel zu wenig reflektiert, geschweige denn korrigiert wurde. Im Gegenteil: Die mit der Zeit immer stärker sinkende Arbeitsleistung der IMI provozierte ihre deutschen Bewacher und Vorarbeiter und verstärkte ihre Vorurteile gegenüber den „faulen” Italienern noch weiter.
Die Firma Krupp beschwerte sich im März 1944 beim Essener Rüstungskommando: „Der im Vorbericht geschilderte Gesundheitszustand der italienischen Militärinternierten hat sich in der Berichtszeit derart verschlimmert, dass der Krankenstand rund 25 Prozent beträgt. Bei 300 willkürlich herausgegriffenen Militärinternierten sind seit Dezember 1943, also innerhalb eines Vierteljahres, Gewichtsverluste von bis zu 22 kg eingetreten (…). In Bezug auf die Ernährung und damit auf die Arbeitsleistung der italienischen Militärinternierten besteht ein ausgesprochener Notstand, der nur durch die großzügige Freigabe von Lebensmitteln gemildert werden kann.“ Schließlich wurde das System der “Leistungsernährung” doch aufgegeben und einige Gruppen von italienischen Militärinternierten zum „aufpäppeln“ in die Landwirtschaft geschickt, wo die Lebensbedingungen erträglicher und die Verpflegung besser war als in den Fabriken. Jedoch waren am Ende nur 6 Prozent der IMI in der Landwirtschaft beschäftigt.
Es gab auch IMI, die in Konzentrationslagern Zwangsarbeit leisten mussten. Unter ihnen etwa 1.000, die aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen in unterirdischen Stollen im KZ Mittelbau Dora zum Bau von V-Waffen eingeteilt wurden. Dort standen sie unter der Bewachung der SS und litten, wie alle Inhaftierten, unter besonders grausamer Behandlung und menschenverachtenden Lebensbedingungen. Rund 30 Prozent der Männer überlebten die Hölle von Dora nicht.
Zwei amerikanische Soldaten posieren vor einem Bauteil der V2-Rakete in den unterirdischen Werkshallen des gerade befreiten KZ Mittelbau-Dora, Mai 1945.
Das Propagandafoto zeigt dem Anschein nach gut gelaunte Italiener, die gerade in den Status von Zivilarbeitern erhoben wurden und deshalb das Lager zu einem Spaziergang verlassen dürfen, Berlin August 1944.
Erst im Sommer 1944 änderte das NS-Regime den Status der italienischen Armeeangehörigen wieder, nachdem Mussolinis Bemühungen bei Hitler endlich gefruchtet hatten, der aufgrund der schwierigen Situation der IMI um sein politisches Ansehen in Italien besorgt gewesen war. Bei einem persönlichen Treffen mit Mussolini am 20. Juli 1944, unmittelbar nach dem missglückten Stauffenberg-Attentat, ließ Hitler sich nach monatelangem Zögern dazu bewegen, die IMI zu Zivilarbeitern zu erklären. Die NS-Propaganda inszenierte den Statuswechsel als “Befreiung”. Einige Gruppen, wie etwa die Offiziere, blieben jedoch von der Umwandlung ausgeschlossen. Die Italiener sollten eine Erklärung unterschreiben, mit der sie sich verpflichteten, bis zum Kriegsende in Deutschland zu arbeiten. Doch das Vertrauen der Italiener in die deutschen Bewacher war zu diesem Zeitpunkt so zerstört, dass viele sich weigerten zu unterschreiben. Sie befürchteten erneut nur Nachteile für sich. Im Herbst 1944 wurden rund eine halbe Million italienische Zivilarbeiter in sogenannte “Gemeinschaftslager” überführt, die nicht der Wehrmacht, sondern der Deutschen Arbeitsfront (DAF) unterstanden.
Tatsächlich verbesserte sich die Situation der Italiener durch den Statuswechsel kurzfristig. Sie wurden in den “Gemeinschaftslagern” weniger streng kontrolliert, konnten sich freier bewegen, und da sie mit Reichsmark bezahlt wurden, bot sich einigen die Gelegenheit, auf den Schwarzmärkten überlebenswichtige Lebensmittel hinzuzukaufen. Doch während des harten Kriegswinters 1944/45 und dem herannahen Kriegsende verschlechterte sich die Versorgungslage insgesamt massiv. Immer mehr frontnahe Lager wurden verlassen und die italienischen Zivilarbeiter in andere Lager im Landesinneren geschickt, die oft überfüllt waren und in denen die Insassen unter den schrecklichen hygienischen Bedingungen und der katastrophalen Versorgungslage litten. Die Todesrate stieg in den letzten Kriegsmonaten dementsprechend an. Insgesamt starben rund 50.000 italienische Armeeangehörige seit ihrer Entwaffnung und Gefangennahme durch die Deutschen.
Besonders schmerzhaft für die Überlebenden und Nachkommen der Verfolgtengruppe der italienischen Militärinternierten ist bis heute die Tatsache, dass sie keine Entschädigung für ihr erlittenes Unrecht und die unter grausamen und unmenschlichen Umständen geleistete Zwangsarbeit erhalten haben. Im Fokus der Diskussionen zwischen der Bundesregierung, den Überlebenden und ihren Interessenvertreter:innen sowie Historiker:innen stand die Frage nach dem Rechtsstatus, der sich während der Verfolgungszeit zwei Mal geändert hatte: Das NS-Regime hatte sie von Kriegsgefangenen zu Militärinternierten und dann zu Zivilarbeitern erklärt. Die Entscheidung, welcher Rechtsstatus nun im Kontext der Wiedergutmachung zugrunde gelegt werden sollte, hatte weitreichende finanzielle und politische Konsequenzen.
Auch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), die im Jahr 2000 gegründet wurde, um ehemalige Zwangsarbeiter:innen zu entschädigen, schloss die IMI mit Verweis auf ihren Status als Kriegsgefangene aus. Daraufhin entbrannte eine Debatte unter Historiker:innen: Sollten ehemalige Kriegsgefangene, die eine andere rechtliche Stellung als zivile Zwangsarbeiter:innen hatten, Anspruch auf Entschädigung haben? Letztlich wurden die IMI ausgeschlossen, während andere Verfolgtengruppen, wie ehemalige polnische Kriegsgefangene, bereits entschädigt wurden. Angesichts der widersprüchlichen Positionen und der angespannten finanziellen Situation des Stiftungsfonds beauftragte das Bundesfinanzministerium den Völkerrechtler Professor Christian Tomuschat mit einem Rechtsgutachten zur Frage der Entschädigungsberechtigung.
In seinem Gutachten von 2001 verneinte Tomuschat die Entschädigungsansprüche und argumentierte, dass die Überführung der IMI in den Zivilstatus im Herbst 1944 als Bruch der Genfer Konvention zu werten und daher völkerrechtlich nicht wirksam gewesen sei. Die Bundesregierung schloss sich dieser Auffassung an, was bedeutete, dass nur IMI, die in Konzentrationslager deportiert worden waren, Anspruch auf Entschädigung hatten.
Viele Historiker:innen, darunter der Zwangsarbeit-Experte Professor Ulrich Herbert, kritisierten das Gutachten scharf. Stimmen wurden laut, die das Vorgehen der Bundesregierung als einen „formaljuristischen Taschenspielertrick“ bezeichneten, der genutzt wurde, um sich vor finanzieller und moralischer Verantwortung zu drücken. Inhaltlicher Kernpunkt der Kritik am Gutachten war, dass die Überführung in den Zivilarbeiterstatus nicht nur theoretisch war, sondern konkrete Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der IMI hatte. Nun kam es zu einer Klagewelle, die jedoch sowohl vor dem Bundesverfassungsgericht als auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen wurde. Eine Entscheidung des italienischen höchsten Gerichtshofs im Jahr 2004 stellte den Grundsatz der Staatenimmunität in Frage und erlaubte Klagen gegen Deutschland. Deutschland wandte sich daraufhin an den Internationalen Gerichtshof (IGH), der die Staatenimmunität bestätigte. Dennoch äußerte der Präsident des IGH, Hisashi Owada, sein „Erstaunen“ und „Bedauern“ darüber, dass die deutsche Seite den IMI keine Entschädigung gewährt hatte. Er empfahl der deutschen Regierung, mit Italien über eine Entschädigung zu verhandeln.
Mit dem Ziel, die deutsch-italienische Kriegsvergangenheit gemeinsam aufzuarbeiten, wurde im Jahr 2008 die Deutsch-Italienische Historikerkommission eingesetzt. Diese empfahl, eine gemeinsame Erinnerungskultur zu schaffen. Mehrere Projekte wurden daraufhin initiiert, um das Schicksal der IMI in der Erinnerung beider Länder zu würdigen. So wurde u. a. beim Berliner Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit eine Dauerausstellung zu den IMI realisiert.
Autorin: Lena Knops
Informationen zu den Italienischen Militärinternierten beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit:
ns-zwangsarbeit.de.
Zur Deutsch-Italienischen Erinnerungskultur und verschiedenen Projekten, die der Erinnerung an die IMI gewidmet sind: ns-diplo.de.
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Archivio Centrale dello Stato, PARTITO NAZIONALE FASCISTA (PNF)/ Ufficio propaganda/ Attività del duce (fotografie Istituto Luce)/ Viaggio di Hitler in Italia/ 82240. Su concessione del Ministero della Cultura. Numero del provvedimento di autorizzazione assegnato: 27/04/2024.
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Hitler und Mussolini_Militärische Lagebesprechung_1941
Archivio Centrale dello Stato, PARTITO NAZIONALE FASCISTA (PNF)/ Ufficio propaganda/ Seconda guerra mondiale (fotografie Istituto Luce)/ Fronte orientale russo; Esercito/ 26706. Su concessione del Ministero della Cultura. Numero del provvedimento di autorizzazione assegnato: 27/04/2024.
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Italienische Soldaten auf Kefalonia_Einheit_1941
Archivio Centrale dello Stato, PARTITO NAZIONALE FASCISTA (PNF)/ Ufficio propaganda/ Seconda guerra mondiale (fotografie Istituto Luce)/ Marina; Milizia Volontaria per la Sicurezza Nazionale – MVSN; Fronte greco/ 20719. Su concessione del Ministero della Cultura. Numero del provvedimento di autorizzazione assegnato: 27/04/2024.
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KZ Mittelbau-Dora_V2 Rakete_Var1
Two American soldiers stand next to a completed half-section of a V-2 fuselage in the underground rocket factory at Dora-Mittelbau. United States Holocaust Memorial Museum Photo Archives #85688. Copyright of United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration, College Park.
Mussolini_grüßt Menge_1939
Archivio Centrale dello Stato, PARTITO NAZIONALE FASCISTA (PNF)/ Ufficio propaganda/ Attività del duce (fotografie Istituto Luce)/ Il duce a Fiume/ 115698. Su concessione del Ministero della Cultura. Numero del provvedimento di autorizzazione assegnato: 27/04/2024.
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