Fotografie der Tötungsanstalt Hadamar aus dem Jahr 1941, auf der ein rauchender Schornstein zu erkennen ist.
Die „Landesheilanstalt Hadamar“ bei Limburg wurde 1941 vom NS-Regime beschlagnahmt und als eine der sechs „T4“-Tötungsanstalten betrieben. Sie war 1883 als Arbeitshaus errichtet und seit 1906 als psychiatrische Klinik genutzt worden. Fast 15.000 Menschen wurden in Hadamar von 1941 bis 1945 von den Nationalsozialist:innen ermordet.
Um die systematischen Morde zu verschleiern, organisierten die Verantwortlichen den Transport der Patient:innen nach Hadamar über mehrere sogenannte „Zwischenanstalten“. Sie befanden sich in Herborn, Weilmünster, Idstein, Eltville, Galkhausen, Andernach, Scheuern, Wiesloch und Weinsberg. Wer im Jahr 1941 als Patient:in nach Hadamar verlegt wurde, wurde (bis auf einzelne Ausnahmen) noch am selben Tag ermordet. Im Keller der Anstalt befand sich die Gaskammer. Dort wurde Kohlenmonoxid durch Rohre in einen gefliesten Raum geleitet, in dem die Opfer erstickten. Die Leichen wurden teilweise seziert und schließlich eingeäschert. Die Angehörigen erhielten aus dem Standesamt Hadamar-Mönchberg Sterbeurkunden, auf denen Todesursache und Sterbedatum falsch angegeben waren.
Auszug aus dem Sterberegister der Tötungsanstalt Hadamar mit erfundenen Todesursachen.
Friedhof der Tötungsanstalt zum Zeitpunkt der Befreiung 1945.
Von August 1942 bis März 1945 waren die Überlebenschancen in Hadamar wieder sehr gering. Ca. 500 Zwangsarbeiter:innen aus der Sowjetunion und Polen wurden am Tag ihrer Ankunft ermordet. Weitere um die 4.000 Menschen starben an absichtlicher Überdosierung von Medikamenten sowie Hunger und Kälte nach Tagen, Wochen oder sogar Monaten in Hadamar.
Über 100 Patient:innen aus den letzten großen Deportationen erlebten die Befreiung der Anstalt durch US-amerikanische Truppen am 26. März 1945. Mindestens 30 von ihnen starben jedoch wenig später aufgrund der katastrophalen Bedingungen in den Anstalten an Infektionen und Unterernährung.
Ein US-amerikanischer Soldat befragt Überlebende der Tötungsanstalt
Hadamar in ihren Betten kurz nach der Befreiung 1945.
Die Befragung der leitenden Krankenpflegerin Irmgard Huber durch
US-amerikanische Ermittler.
Vor einem US-amerikanischen Militärgericht in Wiesbaden waren im ersten “Euthanasie”-Prozess der westlichen Besatzungszonen im Oktober 1945 sieben Mitarbeitende der Tötungsanstalt Hadamar wegen der Ermordung von Zwangsarbeiter:innen angeklagt. Oberpfleger Heinrich Ruoff, dessen Stellvertreter Karl Willig und Verwaltungsleiter Alfons Klein wurden zum Tode verurteilt und fünf Monate später hingerichtet. Der Oberarzt Adolf Wahlmann, Oberschwester Irmgard Huber, Verwaltungsmitarbeiter Adolf Merkle und Bestatter Philipp Blum erhielten lange Haftstrafen.
Im Februar 1947 wurden in einem weiteren Prozess vor dem Landgericht Frankfurt, der heute als „Hadamar-Prozess“ bezeichnet wird, 25 Personen wegen der Ermordung aller Anstaltspatien:innen zwischen 1941 und 1945 angeklagt. Adolf Wahlmann war erneut angeklagt und erhielt dieses Mal zusammen mit dem Arzt Hans Bodo Gorgaß das Todesurteil. Beide wurden jedoch nicht hingerichtet. In der BRD wurden ihre Urteile in Freiheitsstrafen umgewandelt, beide wurden Ende der 1950er Jahre begnadigt. Von den restlichen Angeklagten im Hadamar-Prozess erhielten neun Personen Haftstrafen zwischen zwei und acht Jahren, die die meisten jedoch nicht vollständig absitzen mussten. Alle anderen wurden freigesprochen.
Die ersten zögerlichen Zeichen des Gedenkens wurden in der weiterhin als psychiatrische Klinik betriebenen Anstalt 1953 und 1964 eingerichtet: ein Relief im Eingangsbereich und eine Gedenklandschaft mit einer Stele auf dem zugehörigen Friedhof. Im Jahr 1983 folgte auf Initiative von Studierenden der Uni Gießen eine Ausstellung im Keller der Klinik. Erst 1991 wurde in Hadamar eine vollwertige Gedenkstätte eingerichtet.
Der Eingang der heutigen Gedenkstätte Hadamar.
Autorin: Alina Besser
Gedenkstätte Hadamar: gedenkstaette-hadamar.de/geschichte
Landeswohlfahrtsverband Hessen (Hg.), „Verlegt nach Hadamar“. Die Geschichte einer NS-„Euthanasie“-Anstalt, Kassel 2009.
Roer, Dorothee / Henkel, Dieter (Hg.), Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar 1933 – 1945, Bonn 1986.
Schneider, Christoph (Hg.), Hadamar von innen. Überlebendenzeugnisse und Angehörigenberichte, Berlin 2020.
Gedenkstätte Hadamar Herbst
Autor:in unbekannt, Eingang der Gedenkstätte Hadamar im Herbst, mit freundlicher Genehmigung der Gedenkstätte Hadamar.
Hadamar 1941 Schornstein
Autor:in unbekannt, Tötungsanstalt Hadamar mit rauchendem Schornstein, 1941, Gedenkstätte Hadamar, Sammlung, FS 4.
Hadamar 1945 Befragung Irmgard Huber
Peters, Troy A., American war crimes investigators question chief nurse Irmgard Huber, 1945, United States Holocaust Memorial Museum, #73720, National Archives and Records Administration, College Park, public domain, online verfügbar: collections.ushmm.org.
Hadamar 1945 Massengräber
Author:in unbekannt,View of the cemetery at the Hadamar Institute, 1945, United States Holocaust Memorial Museum, #73719, National Archives and Records Administration, College Park, public domain, online verfügbar:
collections.ushmm.org.
Hadamar 1945 Sterberegister
Author:in unbekannt, A page of the Hadamar Institute’s death register, 1945, United States Holocaust Memorial Museum, #76282, National Archives and Records Administration, College Park, public domain, online verfügbar:
collections.ushmm.org.
Hadamar 1945 Überlebende und Soldat
Peters, Troy A., Lt. Alexander J. Wedderburn (…) questions elderly survivors who are lying in bed at the Hadamar Institute, 5.4.1945, United States Holocaust Memorial Museum, #05446, National Archives and Records Administration, College Park, all rights reserved, online verfügbar: collections.ushmm.org.
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