Völlig bedenkenlos wird aus dem Brief der Fürsorgerin Fanny Fuchsschwanz von 1939 zitiert. Als “sehr aufschlussreich” wird außerdem ein zusammenfassender Bericht des Wohlfahrtsamtes aus 1945 bezeichnet, in dem wie schon 1939 mit falschen Behauptungen und Beleidigungen über die Familie Berger um sich geworfen wird. Nicht einmal die Mitteilung der Gestapo aus dem Jahr 1941 über das angebliche Verbot, im Steinbruch des KZ Buchenwald ohne Schutzbrille zu arbeiten, wird vom Landgericht kritisch eingeordnet.
Wieder wird die gleiche abwertende und unsachliche Formulierung über die Jenischen verwendet, die schon im Bescheid von 1952 und im Urteil von 1955 steht: „Der Kläger wurde also offenbar als sogenannter ‘Jenischer’ (das sind solche, die nach Zigeunerart nicht ansässig sind oder, wenn sie sich ansiedeln, einer geregelten Arbeit nicht gern nachgehen) behandelt und als Asozialer in einem KZ untergebracht und zur Arbeit herangezogen.”
Die offizielle Schlussfolge: “Nach diesen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass der Kläger aus Gründen der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse vom 20.5.1938 bis 27.9.1939 inhaftiert war. Seine Unterbringung in dem KZ Buchenwald erfolgte vielmehr wegen seines asozialen Verhaltens als ‘Arbeitsscheuer’. Eine Entschädigung nach dem BEG (wegen Berufsschadens und Körperschadens, erlitten während seines Aufenthalts in dem KZ) kann ihm daher nicht gewährt werden.”
Wie um Viktor dieses Mal wirklich die endgültige Ablehnung seiner Ansprüche klar zu machen, wird auf den letzten zwei Seiten der Urteilsbegründung noch einmal erklärt, warum auch für die Zwangssterilisierung keine Entschädigung gewährt wird. Wieder zitierten die Richter unkritisch aus den Akten des Erbgesundheitsgerichtes und dem Antrag auf Unfruchtbarmachung von 1939, der “wegen erhöhter Fortpflanzungsgefahr als dringlich bezeichnet [wurde]”. Ein Bewusstsein dafür, dass Zwangssterilisationen, egal aus welchem Grund, Unrecht sind, gibt es hier nicht. Stattdessen wird die Rechtmäßigkeit des Eingriffs betont: “Die Amtsärzte waren berechtigt und nach damaliger Auffassung, die übrigens heute noch in verschiedenen Kulturstaaten, nämlich in Schweden, Finnland, Kanada und einzelnen Staaten der USA vertreten wird, im Interesse der Allgemeinheit wie des Betroffenen selbst verpflichtet, in den ihnen (…) geeignet erscheinenden Fällen Anträge (…) nach dem Erbgesundheitsgesetz zu stellen.”