Reichskonkordatsunterzeichnung im Juli 1933 in Rom (v.l.n.r: Prälat Ludwig Kaas, Vizekanzler Franz von Papen, Untersekretär Giuseppe Pizzardo, Staatssekretär Pacelli, Substitut Alfredo Ottaviani und Ministerialdirektor Rudolf Buttmann).
Vor der Machtübernahme Hitlers und der NSDAP im Jahr 1933 stellten sich katholische Verbände und Bischöfe offen in Opposition zur nationalsozialistischen Ideologie. So heißt es z. B. in einer Erklärung der bayerischen Bischöfe im Februar 1931: „Was der Nationalsozialismus Christentum nennt, ist nicht mehr das Christentum Christi.“ Kurz nach der Machtübernahme gaben Versprechungen Hitlers zur Unabhängigkeit der christlichen Kirchen Anlass für eine kurze Zeit des „Brückenbauens”, in der einige Kirchenvertreter die bisherige Kritik für hinfällig erklärten. In diese Zeit fällt auch das sogenannte „Reichskonkordat” zwischen Papst Pius XI. und der nationalsozialistischen Regierung.
Am 22. Juli 1933 unterschrieben Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli (der spätere Papst Pius XII.) und Vizekanzler Franz von Papen den Staatskirchenvertrag. Das Deutsche Reich sicherte der katholischen Kirche damit das Recht auf institutionelle Selbstverwaltung, Bekenntnisfreiheit und öffentliche Religionsausübung sowie die Verbreitung ihrer Schriften zu. Auch das Eigentum der Kirche sowie die katholischen Schulen wurden unter Schutz gestellt. Im Gegenzug verbot das Reichskonkordat katholischen Geistlichen die parteipolitische Tätigkeit. Die katholische Zentrumspartei hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst.
Die Kirche hoffte, sich mit dem Vertrag vor der „Gleichschaltung“ zu retten. Als Rechtfertigung und Anknüpfungspunkt diente zudem der Antibolschewismus auf beiden Seiten. Durch Eingriffe in die Pressefreiheit und Terror gegen kirchliche Jugendverbände ab Herbst 1933 und verstärkt mit der Verfolgung katholischer Geistlicher ab 1935 war für die Kirchenvertreter klar, dass das Deutsche Reich sich nicht an den Vertrag hielt.
Die Nationalsozialist:innen verfolgten einen totalitären Gestaltungsanspruch gegenüber Staat und Gesellschaft. Alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens sollten nach ihren Idealen und Werten ausgerichtet werden – auch das Religiöse. Konkurrierende Einflüsse und Praktiken, z. B. die konfessionelle Seelsorge, das christliche Gemeindeleben und Bekenntnisse wie Wallfahrten oder Prozessionen, wurden deshalb bekämpft. Statt christlicher Werte sollte ein „neuer Glaube“ im Sinne des Nationalsozialismus etabliert werden, welcher Deutschtum, Volk und „Rasse“ als höchste Werte ansah. Besonders radikale Vertreter:innen um Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Martin Bormann und Alfred Rosenberg sahen im jüdischen Ursprung christlicher Traditionen gar die Notwendigkeit, mit christlichen Traditionen gänzlich zu brechen. Als Alternative propagierten sie die Schaffung eines neuen und völkischen Glaubens, des „Deutschglaubens“. Adolf Hitler wiederum sprach sich im Parteiprogramm für ein vermeintlich „positives Christentum“ aus, welches „nicht gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen“ dürfe.
In der Kundgebung der bayerischen Bischöfe zu den Sittlichkeitsprozessen (1937) verurteilte die Kirche die Vergehen wiederholt öffentlich.
Mit Kriegsbeginn 1939 verbot Hitler für die Dauer des Krieges jede Aktion gegen die katholische und evangelische Kirche. Langfristig verfolgte das NS-Regime jedoch das Ziel, die Kirche zu vernichten. Und so wurden im sogenannten „Klostersturm“ zwischen 1940 und 1942 im Deutschen Reich mehr als 300 katholische Klöster und kirchliche Einrichtungen aufgehoben und enteignet. Mehr als 10.000 Ordensleute wurden vertrieben. Und auch in der brutalen deutschen Besatzungspolitik in Osteuropa wurde die Vernichtung der Kirche weiter praktiziert: Im westlichen Polen wurde der polnische Katholizismus durch Versammlungsverbote und Verfolgungswellen gegen Priester vollständig marginalisiert.
Nachdem mit dem Reichskonkordat von 1933 der katholischen Kirche zunächst religiöse Freiheiten und Rechte gegenüber dem NS-Staat eingeräumt worden waren, verletzten ab 1934 zahlreiche Angriffe und Übergriffe die Vereinbarung dieses Vertrags. Ab 1935/36 wurde die nationalsozialistische Religionspolitik forciert. Im Zuge der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ wurden katholische Vereine und Verbände verboten, katholische Schulen in Gemeinschaftsschulen umgewandelt und der Religionsunterricht an Schulen eingeschränkt. Die Kirche verlor einen beträchtlichen Teil ihres Einflusses in Staat und Gesellschaft. Gleichzeitig versuchte das NS-Regime jedoch, einen offenen Bruch mit der Kirche zu vermeiden, da diese eine potenzielle Bedrohung für die Vorherrschaft des NS-Regimes darstellte.
„Herdenmäßige Unzucht“ und Klöster als „Brutstätten der Homosexualität“ – mit Schmähungen wie diesen führten die Nationalsozialist:innen eine Hetzkampagne gegen die katholische Kirche. Die Kampagne war eine Reaktion auf Proteste der Kirche gegen die „Entkonfessionalisierung“. Grundlage der antikirchlichen NS-Propaganda waren 250 Sittlichkeitsprozesse, die ab Mai 1936 gegen katholische Welt- und Ordensgeistliche sowie Laienbrüder geführt wurden. Sie wurden beschuldigt, Minderjährige und Schutzbefohlene sexuell missbraucht sowie weitere Vergehen gegen die Sittlichkeit (homosexuelle Handlungen) vorgenommen zu haben. Die Mehrzahl der Täter zeigte sich geständig und wurde verurteilt.
Für die NS-Propaganda wurden die Prozesse jedoch als Mittel genutzt, um katholische Geistliche als Staats- und Volksfeinde anzuprangern. Ziel war es, das Verhältnis zur Kirche nachhaltig zu schädigen und den Einfluss der Kirche weiter abzubauen. Dafür hielt Goebbels am 28. Mai 1937 eine Rede, in welcher er von angeblich „Tausenden von Verfahren gegen Priester und Mönche“ sprach. Die Beschuldigten seien auf die „planmäßige sittliche Vernichtung Tausender von Kindern und Kranken“ aus. Dabei war es zwei Jahre später das NS-Regime selbst, das die Tötung von psychisch, schwer körperlich oder unheilbar kranken Kindern und Erwachsenen befahl. Die reichsweite Hetzkampagne gegen die Kirche wurde Ende Juli 1937 auf Weisung Hitlers gestoppt, weil dieser den Kirchenkonflikt ruhen lassen wollte, um sich auf seine außenpolitischen Ziele zu konzentrieren.
Die Sittlichkeitsprozesse hatten jedoch weitreichende Folgen. So blieb nach Ende der NS-Zeit primär die kirchenfeindliche Instrumentalisierung der Prozesse in Erinnerung, nicht jedoch das Missbrauchsgeschehen als solches. Das führte dazu, dass nur wenig für das Thema „sexueller Missbrauch“ sensibilisiert wurde und vielmehr die Bereitschaft verstärkt worden war, die Aufdeckung von Missbrauchsfällen als Attacke auf das Ansehen der Kirche abzuwehren.
Die Abtei Schweiklberg in Vilshofen a. d. Donau war eine der ersten Abteien, die dem NS-Klostersturm zum Opfer fielen.
Papst Pius XI. ca. 1920-1925.
Papst Pius XI. erkannte die Verstöße des nationalsozialistischen Regierung gegen das Reichskonkordat und ihr Ziel, die katholische Kirche im Deutschen Reich auszulöschen. Im Frühjahr 1937 verfasste er den Rundbrief „Mit brennender Sorge”, der sich nicht nur an die Geistlichen im Deutschen Reich, sondern an alle katholischen Bischöfe der ganzen Welt richtete.
In dem Text stellte er die Unvereinbarkeit der nationalsozialistischen Rassenideologie mit den christlichen Glaubensgrundsätzen klar. So heißt es: „Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einer nationalen Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt (…), in die Grenzen eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.” Er hob den blinden Gehorsam gegenüber staatlicher Autorität auf und sprach Gläubigen das Recht und die Pflicht zu, ihre Kinder staatlichen Institutionen zu entziehen. Außerdem sprach das Kirchenoberhaupt den verfolgten Geistlichen seine Anerkennung aus. Er verurteilte zudem die Verbannung der „biblische[n] Geschichte und [der] Lehrweisheit des Alten Bundes aus Kirche und Schule“ und betonte damit die Verbindung von Christentum und Judentum, ohne jedoch das Wort zu verwenden oder direkt die Verfolgung von Jüdinnen:Juden anzusprechen. Auch das Wort Nationalsozialismus kommt im Text von „Mit brennender Sorge” nicht vor.
Der Rundbrief wurde heimlich 300.000 Mal vervielfältigt, verbreitet und am 21. März 1937 (Palmsonntag) in den katholischen Kirchen in ganz Deutschland verlesen. Die Nationalsozialist:innen reagierten mit dem Verbot der Schrift und Razzien gegen kirchliche Einrichtungen. Beschlagnahmungen von verbreiteten Exemplaren, Enteignungen beteiligter Druckereien und Verhaftungen waren die unmittelbaren Folgen. Für Katholik:innen, die dem NS bereits ablehnend gegenüberstanden, war die Botschaft des Papstes eine Bestärkung und eine „Befreiung” (Zitat Bischof Clemens August von Galen). Es folgte jedoch, wahrscheinlich aus Sorge vor weiteren Nachteilen für die Kirche, kein offener Bruch mit dem autoritären NS-Regime als Konsequenz.
Papst Pius XII. ca. 1951.
Nach dem Tod von Papst Pius XI. am 10 Februar 1939 wurde der Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli zum neuen Kirchenoberhaupt gewählt und nannte sich fortan Pius XII. Bis heute ist es Gegenstand der historischen Forschung, warum er sich in seiner gesamten Amtszeit nicht klar gegen den Holocaust ausgesprochen hat. Neuesten Erkenntnissen zufolge war der Papst gut über das Ausmaß der Verfolgung und über den Massenmord in den von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten informiert.
Bittbriefe von verfolgten Jüdinnen:Juden bzw. Menschen jüdischer Herkunft an das Kirchenoberhaupt sind im Archiv des Vatikan erhalten geblieben. Anhand dieser Quellen lässt sich auch nachverfolgen, dass der Papst und seine Berater durchaus versuchten, den Verfolgten zu helfen. In seiner Weihnachtsansprache von 1942 sprach Pius XII. andeutungsweise von „Hunderttausenden, die persönlich schuldlos bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung willen dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind“, doch benannte er keine Täter:innen.
Als Grund für die fehlende öffentliche Konfrontation mit dem NS-Regime wird eine grundsätzliche, pedantische Haltung der Neutralität und Überparteilichkeit des Kirchenoberhauptes vermutet. Sie stammt laut dem Historiker Hubert Wolf aus der Amtszeit Benedikts XV., dessen Bemühungen als Vermittler für den Frieden im Ersten Weltkrieg von den Kriegsparteien ausgeschlagen worden waren.
Obwohl es einzelne Anknüpfungspunkte zwischen kirchlichen Lehren und NS gab, war die katholische Bevölkerung grundsätzlich stärker an ihre Kirche als Autorität gebunden als an den Staat. Dazu trugen in stark katholisch geprägten Gegenden die zahlreichen Verbände und insbesondere die kirchliche Jugendbewegung bei. Die unterschiedlichen Jugendverbände waren ähnlich wie ihre nicht-konfessionellen Pendants häufig bündisch organisiert. Sie vermittelten katholisch-christliche Werte und Traditionen. Gleichzeitig boten sie den Jugendlichen Raum für Selbstbestimmung und zum Austausch mit Gleichaltrigen.
Durch das Reichskonkordat von 1933 waren die katholischen Jugendverbände zunächst vor der Gleichschaltung geschützt. Sie durften jedoch keine politische Jugendarbeit betreiben. Über die Auslegung, wann die Grenze zum „Politischen” überschritten war, folgten Streitigkeiten zwischen den Verbänden und dem NS-Regime. Repressalien ab 1935 gipfelten schließlich doch im Verbot bzw. in der Aufhebung der Verbände in den Jahren 1938 und 1939.
Zeltlager einer Neudeutschlandgruppe in Neuerburg in der Eifel im Jahr 1929.
Gedenktafel für Gertrud Luckner am Haus Werthmannstraße 4 in Freiburg.
Menschen, die aus ihrem katholischen Glauben heraus aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten, gab es auf verschiedenen Ebenen der Institution Kirche. Das prominenteste Beispiel ist der damalige Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen. Er verurteilte 1941 mit großer öffentlicher Wirksamkeit das “Euthanasieprogramm”, den systematischen Massenmord an Menschen mit Behinderung. Da die NS-Regierung Unruhen insbesondere unter der katholischen Bevölkerung des Münsterlandes befürchtete, sah sie von Gewaltmaßnahmen gegen den Bischof ab.
Das Glück eines hohen Bekanntheitsgrades hatten viele andere Geistliche nicht. So wurden die sogenannten „Lübecker Märtyrer” Johannes Prassek, Hermann Lange, Eduard Müller und der evangelische Pfarrer Karl Friedrich Stellbrink am 10. November 1943 hingerichtet. Der Grund für die Todesurteile waren kritische Inhalte ihrer Predigten gewesen. Weitere Beispiele für katholische Priester, die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten, sind: Dr. Bernhard Wensch, der als Jugendseelsorger für kritische Rundbriefe verantwortlich gemacht wurde, die sich unter katholischen Jugendlichen in Sachsen verbreitet hatten. Wilhelm Caroli, der den Nationalsozialismus in seinen Predigten verurteilte und sich weigerte, an seiner Pfarrkirche die Hakenkreuzflagge zu hissen. Christoph Hackethal, der Zwangsarbeiter:innen in seine Seelsorge einschloss und wegen einer Aussage über den Kriegsausgang denunziert wurde. Sie alle starben im KZ Dachau. Josef Averesch, der sich weigerte, das Beichtgeheimnis zu brechen, überlebte zunächst die Haft, starb jedoch im Jahr 1949 an den Folgen der medizinischen Versuche, die in Dachau an Häftlingen durchgeführt worden waren.
Katholische Frauen waren ebenfalls aus ihrem Glauben heraus und innerhalb der kirchlichen Institutionen im Widerstand aktiv. Gertrud Luckner, die im Jahr 1996 als „Gerechte unter den Völkern” ausgezeichnet wurde, nutzte die Strukturen der Caritas, um verfolgten Jüdinnen:Juden zu helfen. Sie überlebte nach der Denunziation die Haft im KZ Ravensbrück. Auch Maria Husemann war als Sekretärin bei der Caritas tätig und unterstützte aus ihrem Büro heraus jüdische Verfolgte. Außerdem vervielfältigte und verbreitete sie kritische Schriften und die Berichte des in Dachau inhaftierten Hans Karls. Sie überlebte das KZ Flossenbürg.
Während der NS-Zeit gab es nur eine kleine Anzahl katholischer Priester, die als Anhänger des NS auftraten. Bislang konnten in der Forschung nur 150 Geistliche identifiziert werden, die das NS-Regime aktiv unterstützten. Zwar gibt es Propagandafotos, auf denen auf offiziellen Kirchen- und Staatsfeierlichkeiten die anwesenden Bischöfe – wie seit August 1933 bestimmt – den rechten Arm zum „Hitlergruß“ hoben, jedoch wird hier zumeist nicht von einer Überzeugung der Bischöfe von der NS-Ideologie ausgegangen, sondern primär von einem „Arrangieren“ mit den Machthaber:innen.
Auf Befehl Himmlers begann die SS im Dezember des Jahres 1940 damit, alle inhaftierten Geistlichen unabhängig von Konfession und Nationalität aus anderen Konzentrationslagern nach Dachau zu deportieren. Dieser besonderen Behandlung waren Verhandlungen zwischen dem Vatikan, Bischöfen und der nationalsozialistischen Regierung vorausgegangen. Die Geistlichen wurden in Dachau in drei Baracken in einem vom Rest des Lagers mit Maschendrahtzaun abgetrennten Bereich untergebracht. Insgesamt waren in der gesamten Zeit des Bestehens im KZ Dachau 2.720 Geistliche inhaftiert, die überwiegend katholisch waren. Mehr als die Hälfte waren polnische Staatsbürger. Auch aus anderen besetzten Gebieten wurden Geistliche nach Dachau verschleppt.
Durch die Unterstützung der katholischen Kirche gab es zeitweise Vorteile für die im Priesterblock inhaftierten Geistlichen. So wurden ihnen zu Beginn größere Essensrationen zugeteilt, was jedoch nach einem halben Jahr wieder eingestellt wurde. Die eigene Kapelle, die die Geistlichen für Gottesdienste nutzten, durfte jedoch bestehen bleiben.
Gottesdienst in der Kapelle des KZ Dachau, 1944.
Bereits kurz nach Kriegsende erklärten die deutschen Bischöfe auf ihrer ersten gemeinsamen Nachkriegskonferenz am 23. August 1945 im „Fuldaer Schuldbekenntnis“:
„Wir beklagen es zutiefst: Viele Deutsche, auch aus unseren Reihen, haben sich von den falschen Lehren des Nationalsozialismus betören lassen, sind bei den Verbrechen gegen menschliche Freiheit und menschliche Würde gleichgültig geblieben; viele leisteten durch ihre Haltung den Verbrechen Vorschub, viele sind selber Verbrecher geworden.“
Dennoch hielt sich bis in die 1950er Jahre zunächst das Bild einer geschlossenen katholischen Abwehrfront gegen die Nationalsozialist:innen. Dass sich der Großteil der Bischöfe mit dem NS-Regime arrangierte und sich lediglich für Katholik:innen und die katholische Kirche, nicht aber für Jüdinnen:Juden einsetzte, wurde in den Folgejahren jedoch zunehmend kritisiert.
Im März 2020, und somit 75 Jahre nach Ende der NS-Zeit, veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz eine Stellungnahme zum Verhalten der Bischöfe im Zweiten Weltkrieg. Darin bekannten sich die deutschen katholischen Bischöfe zu den Verfehlungen ihrer Vorgänger im Zweiten Weltkrieg. „Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges ‚Nein‘ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg“, so ein Dokument der Deutschen Bischofskonferenz.
Im Jahr 2000 wurde für die Kirchen überraschend deutlich, dass auch sie während der NS-Zeit Zwangsarbeiter:innen beschäftigt hatten – wenn auch in einem deutlich geringeren Umfang als etwa die deutsche Industrie. Daraufhin begann die katholische Kirche umfangreiche Nachforschungen anzustellen und ermittelte 4.829 Zivilarbeiter:innen sowie 1.075 Kriegsgefangene, die in insgesamt 776 katholischen Einrichtungen, z. B. in Krankenhäusern, Heimen oder auf Klosterhöfen, zur Arbeit gezwungen worden waren. Bis zum 31. Dezember 2004 wurden 587 der größtenteils aus Polen, der Ukraine sowie der übrigen Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiter:innen mit insgesamt 1,5 Millionen Euro entschädigt. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte zu diesem Zweck im August 2000 den „Entschädigungsfonds für Zwangs- und Fremdarbeiter in kirchlichen Einrichtungen“ eingerichtet, aus dem die Überlebenden Einmalleistungen erhalten sollten. Das Besondere: Statt, wie sonst in der Wiedergutmachungspraxis üblich, Betroffene Anträge stellen zu lassen, suchte die katholische Kirche proaktiv selbst nach den Überlebenden. Ein zusätzlich eingerichteter Versöhnungsfonds förderte 206 Versöhnungsprojekte.
Autor:innen: Alina Besser, Sarah Frecker
Arens, Christoph, Ein historisches Schuldbekenntnis, Artikel auf katholisch.de (23.08.2015): katholisch.de.
„Bischöfe machten sich mitschuldig am Krieg“, Artikel auf Deutsche Welle (29.04.2020): dw.com.
Das Reichskonkordat, Artikel in Lebendiges Museum Online, Deutsches Historisches Museum: dhm.de.
Der Papst und der Nationalsozialismus – Wie der Vatikan auf den Holocaust reagierte, Sendung des SWR2: swr.de.
Dokument belastet Haltung von Papst Pius XII. zu Holocaust. In Weihnachtsansprache nicht klar benannt, Artikel auf domradio.de: domradio.de.
Katholische Jugendorganisationen, Portal Jugend! Deutschland 1918-1945: jugend1918-1945.de.
Kirchen im NS-Regime, Artikel in Lebendiges Museum Online, Deutsches Historisches Museum: dhm.de.
Mit brennender Sorge (Enzyklika, 1937), Artikel im Historischen Lexikon Bayerns: historisches-lexikon-bayerns.de.
Forstner, Thomas, Sittlichkeitsprozesse (NS-Zeit), in: Historisches Lexikon Bayerns (15.12.2021), online verfügbar: historisches-lexikon-bayerns.de.
Gailus, Manfred, Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im nationalsozialistischen Deutschland, in: bpb (01.11.2018), online verfügbar: bpb.de.
Hockerts, Hans Günter, Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Ordensleute und Priester in der NS-Zeit. Eine Relektüre nach 50 Jahren, in: Aschmann, Birgit (Hrsg.), Katholische Dunkelräume. Die Kirche und der sexuelle Missbrauch, Paderborn 2022, S. 170-184.
Hummel, Karl-Joseph, Die Schuldfrage, in: Kösters, Christoph / Ruff, Mark E. (Hrsg.), Die katholische Kirche im Dritten Reich. Eine Einführung, 2. aktual. Aufl., Freiburg / Basel / Wien 2018, S. 154-170.
Mitscherlich, Birgit, “Tage schwerster Heimsuchung”, in: Zumholz, Maria Anna / Hirschfeld, Michael (Hrsg.), Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischöfe in der NS-Zeit (Schriften des Instituts für Regionalgeschichte und Katholizismusforschung Bd. 2), Münster 2022, S.491-511.
Süß, Dietmar, Nationalsozialistische Religionspolitik, in: Kösters, Christoph / Ruff, Mark E. (Hrsg.), Die katholische Kirche im Dritten Reich. Eine Einführung, 2. aktual. Aufl., Freiburg / Basel / Wien 2018, S. 50-63.
Hummel, Karl-Joseph / Kösters, Christoph (Hrsg.), Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945, Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung. Eine Dokumentation (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Band 110), Paderborn et al. 2008.
Abteil Schweiklberg
Steger, Carsten, Luftbild der Abtei Schweiklberg, 21. August 2021, online verfügbar: wikimedia.org. Lizenz: CC BY-SA 4.0.
Gertrud Luckner Gedenktafel Freiburg
Andreas Schwarzkopf/Wikimedia, Gedenktafel für Gertrud Luckner am Haus Werthmannstraße 4 in Freiburg, 2020, online verfügbar: wikimedia.org. Lizenz: CC BY-SA 4.0.
Konkordatsunterzeichnung in Rom
Hoffmann, Heinrich, Konkordatsunterzeichnung in Rom, 20. Juli 1933, Bundesarchiv, Bild 183-R24391, online verfügbar: wikimedia.org. Lizenz: CC-BY-SA 3.0.
Kundgebung der bayerischen Bischöfe 1937
Digitales Archiv des Erzbistums München und Freising, Signatur BB001/1/1, R3951, online verfügbar: dfg-viewer. Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0 DE. Link zu den Nutzungsbedingungen: erzbistum-muenchen.de.
Messe in der KZ Kapelle 1944
Fotograf:in unbekannt, Messe in der Kapelle des KZ Dachau, 1944,
aus der Privatsammlung Hermann Scheipers’, Rechte unbekannt (laut Kontakt Benno Hörst hat Hermann Scheipers die Bilder zur kostenlosen Nutzung freigegeben. Wer Urheber ist, lässt sich nicht mehr herausfinden) Lizenz: unknown rightsholder.
Neudeutschlandgruppe Zeltlager in Neuerburg in der Eifel 1929
Fotograf:in unbekannt, ND-Zeltlager Neuerburg Eifel 1929, © WDR digit/niederdahler, online verfügbar: digit.wdr.de. Lizenz: WDR digit, nicht-kommerzielle Nutzung erlaubt
Papst Pius XI.
Bain News Service, publisher, Papst Piux XI., ca. 1920-1925, gemeinfrei. Link zum Bild: loc.gov.
Papst Pius XII.
Pitcairn, Michael, Papst Pius XII., circa 1951, Oregon State University, online verfügbar: flickr.com. Lizenz: CC BY-SA 2.0.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen