Geschichte

Die Kleinstadt Moringen liegt im südlichen Niedersachsen. Dort nutzten die Nationalsozialisten nach 1933 einen bereits bestehenden Gebäudekomplex, dessen Haupthaus im 18. Jahrhundert entstanden war, für ihre Zwecke. Im 19. Jahrhundert wurde aus dem damaligen Waisenhaus ein polizeiliches Werkhaus. Es war ein Ort der Arbeitserziehung und Maßregelung. Die Institution in Moringen war „Besserungsanstalt“ und „Provinzial-Werkhaus“, in dem vor allem Wohnungs- und Arbeitslose untergebracht wurden. Während zum Ende des Ersten Weltkriegs die Einrichtung leer stand, nutzte in den 1920er Jahren der Landesfürsorgeverband des Freistaats Braunschweig die Einrichtung für „Pfleglinge“ und „Korrigenden“. Das Arbeitshaus blieb auch während des „Dritten Reichs“ bestehen. Darüber hinaus gab es hier zwischen 1933 und 1945 drei Konzentrationslager: zunächst eins für Männer (1933), danach eins für Frauen (1933-1938) und schließlich eins für männliche Jugendliche (1940-1945).

Das KZ für Männer (1933) und Frauen (1933-1938)

1933 richteten die Nationalsozialisten ein KZ für Männer ein, wobei bald auch Frauen zu den Häftlingen zählten. Diese ersten Häftlinge waren vor allem politische Gegner:innen aus dem Umfeld der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegungen. Als die Männer unter „Polizeiaufsicht“ gestellt oder in andere KZ überstellt wurden, begann in Moringen die Geschichte des Frauen-KZ. Dieses bestand von 1933 bis 1938 und wurde das zentrale KZ für Frauen in Preußen. Unter diesen weiblichen Insassen waren viele, die der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörten. Aber auch politische Gegner:innen des Regimes und Frauen, die aus anderen Gründen nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten. Hierzu zählten zum Beispiel Frauen, gegen die die Nationalsozialisten wegen ihrer Beziehung zu Männern, die als „Fremdvölkische“ nicht in das nationalsozialistische Konstrukt einer „Volksgemeinschaft“ gehörten, als „Rasseschänderinnen“ hetzten. 1938 wurden die Frauen in andere KZ verlegt, viele landeten am Ende ihrer Odyssee in dem dann eingerichteten KZ für Frauen in Ravensbrück.

Das KZ für männliche Jugendliche und junge Männer (1940-1945)

1940 bauten die Nationalsozialisten in Moringen ein KZ für männliche Jugendliche und junge Männer auf. Weibliche Jugendliche und junge Frauen kamen in das Jugend-KZ Uckermark. Die Insassen waren männliche Jugendliche und junge Männer zwischen 13 und 22 Jahren aus dem gesamten Reichsgebiet und den von der Wehrmacht besetzten Gebieten. Die Gründe, weshalb die männlichen Heranwachsenden in das KZ kamen, waren ganz unterschiedlich: Viele zählten zur Häftlingsgruppe der rassisch Verfolgten, andere zu den aus religiösen oder politischen Gründen Verfolgten. Aber letztlich herrschte Willkür: Die Stigmatisierung der Jugendlichen als „asozial“ oder „gemeinschaftsfremd“ nutzten die Nationalsozialisten zunehmend, um gegen unangepasste Jugendliche vorzugehen. Bereits geringfügige Abweichungen von der “nationalsozialistischen Norm” wie zum Beispiel die Weigerung, in die Hitlerjugend (HJ) einzutreten, oder – wie Günter Discher – als Anhänger der „Swing-Jugend“ zu gelten, konnten dazu führen, in das Jugend-KZ eingewiesen zu werden. Die jugendlichen Häftlinge mussten Zwangsarbeit leisten, viele bezahlten das mit dem Leben. Die Überlebenden wurden Anfang April 1945 befreit, die Amerikaner räumten das Lager.

Die Nutzung von 1945 bis heute

Bis 1951 bestand auf dem Gelände der ehemaligen KZ ein Lager für Displaced Persons, für aus ihrer Heimat verschleppte Menschen, die auf die Rückkehr nach Hause oder die Emigration warteten. 1948 übernahm das Land Niedersachsen das „Landwerkhaus“, um dort psychisch erkrankte Straftäter unterzubringen. Weitere Einrichtungen entstanden, Aus- und Umbauten folgten. Bis heute werden die historischen Gebäude, die nicht abgerissen wurden, sowie neu errichtete Gebäude genutzt. Sie bilden das Fachkrankenhaus für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Maßregelvollzugzentrums Niedersachsen, kurz MRVZN Moringen.

AUFARBEITUNG

Die Geschichte der KZ in Moringen wurde nach 1945 lange verdrängt. In den 1980er Jahren entwickelte sich eine lokale Erinnerungsbewegung, die die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Geschichte einforderte. 1989 wurde der Verein „Lagergemeinschaft und Gedenkstätte KZ Moringen e.V.“ gegründet, der auch Träger der KZ-Gedenkstätte ist, die seit 1993 besteht.

MEHR ERFAHREN: GÜNTHER DISCHER

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Günther Discher baut sich als Jugendlicher im „Dritten Reich“ seine erste Schallplattensammlung auf. Er lernt andere Hamburger Jugendliche kennen, die wie er den Jazz und den Swing lieben. Doch bald gerät diese Jugend in den Fokus der Nationalsozialisten, die den Swing als „undeutsch“ ablehnen. Für Günther hat das dramatische Folgen: Er wird verhaftet und kommt in das Jugend-KZ Moringen, wo er wie seine Mitinsassen Zwangsarbeit leisten muss. Nach dem Krieg bleibt der Swing Günthers Leidenschaft: Er sammelt Tonträger und legt als DJ Schallplatten auf.

Autorin: Dr. Ann-Katrin Thomm

BILDQUELLEN

Beflaggtes Werkhaus

Beflaggtes Werkhaus zur Eröffnung des Reichstages, 21.03.1933, mit freundlicher Genehmigung des MRVZN Moringen.

Blick in den Anstaltshof

Blick in den Anstaltshof, Jugend-KZ Moringen, 1930er Jahre, mit freundlicher Genehmigung des MRVZN Moringen.

Günther Discher

Alliierter Ausweis Günther Discher, mit freundlicher Genehmigung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Luftaufnahme des Geländes

Luftaufnahme des Geländes Jugend-KZ Moringen, 1930er Jahre, mit freundlicher Genehmigung des MRVZN Moringen.

Moringen Landeskrankenhaus

Jan Stubenitzky, Niedersächsisches Landeskrankenhaus Moringen, 2010, online verfügbar: wikimedia.org, Lizenz: CC BY-SA 3.0.