"ASOZIALE"
Das nationalsozialistische Regime hatte ein Problem mit Menschen, die in prekären wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, "an den Rand der Gesellschaft gedrängt" lebten. Denn sie passten so gar nicht in das von ihnen propagierte Bild der überlegenen, deutschen "Herrenrasse". Eine exakte Definition, wer als „asozial“ galt, gab es während des Nationalsozialismus nicht. Unter diesem herabwürdigenden Begriff wurden beispielsweise Menschen stigmatisiert, die Fürsorgeempfänger, Wanderarbeiter, Bettler oder obdachlos waren, als Prostituierte arbeiteten oder auch eine Suchterkrankung wie Alkoholismus hatten. Auch kinderreiche Familien, „nach Zigeunerart herumziehende Landfahrer“, darunter viele Jenische, angeblich „Arbeitsscheue“, „getarnt Schwachsinnige“ alle anderen, die der Nazi-Ideologie von einem „gesunden Volkskörper“ irgendwie nicht entsprechenden Menschen, wurden unter dem Begriff zusammengefasst.
"BERUFSVERBRECHER"
Als Kriminelle oder „Berufsverbrecher“ galten den Nationalsozialisten Menschen, die meist wegen Vermögens-, bzw. Eigentumsdelikten wie z.B. Einbruch, Betrug oder Diebstahl (mehrfach) vorbestraft waren, wobei es auch hier zu willkürlichen Zuschreibungen kam. Ihre Haftstrafen, die zumeist aus der Zeit vor 1933 resultierten, hatten sie häufig schon verbüßt, als sie ohne konkreten Tatvorwurf in „Vorbeugehaft“ genommen und in einem KZ inhaftiert wurden.
EMIGRANT:INNEN
Als Emigranten bezeichneten die Nationalsozialisten Menschen, die nach der Machtübernahme der Nazis aus dem Deutschen Reich geflohen waren und dann in Folge des Zweiten Weltkriegs wieder in deutsche Hände fielen. Die Nazis befürchteten in ihnen feindliche Spione. Sie wurden mit einem blauen Winkel zwangsgekennzeichnet, wenn sie in Konzentrationslagern inhaftiert waren.
HOMOSEXUELLE
Sexuelle Handlungen zwischen Männern waren im Deutschen Reich seit 1871 laut dem § 175 StGB verboten. Die Nationalsozialisten verschärften das Gesetz im September 1935 noch, denn in der nationalsozialistischen Wahnvorstellung bedrohten homosexuelle Männer den Fortbestand und das Wachstum des deutschen Volkes. Nun musste nicht einmal mehr eine körperliche Berührung stattgefunden haben, um eine Verurteilung zu begründen. Die veruteilten Männer mussten oft jahrelange Gefängnis- und KZ-Haft ertragen und wurden häufig besonders herabwürdigend behandelt. Manche Männer wurden unter Druck sterilisiert, kastriert oder mussten an medizinischen Versuchen teilnehmen. Homosexuelle Frauen wurden ebenfalls nationalsozialistisch verfolgt. Auch wenn der § 175 sie nicht miteinschloss, drohten ihnen massiv diskriminierende Behandlungen und Strafen von Verhören und Hausuntersuchungen angefangen, bis hin zur KZ-Haft. Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller ging nach dem Ende der Nazidiktatur weiter: § 175 wurde nach Reformen 1969 und 1973 erst 1994 ganz aufgehoben.
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JUGENDOPPOSITION
Für die Nationalsozialisten war die Indoktrination der Jugend mit den NS-Ideologien enorm wichtig. Mit der Hitlerjugend (HJ) und dem Bund Deutscher Mädel (BDM) schufen sie einen Rahmen dafür. Manche Jugendliche wollten sich aber nicht in diese militärische Strukturen pressen lassen, sondern ihre Freizeit lieber selbstbestimmt gestalten. So bildeten sich jugendliche oppsitionelle Gruppen heraus, die nicht zwingend politisch motiviert sein mussten. Einige Jugendgruppen begeisterten sich für die in den USA beliebte Swing-Musik, die den Nationalsozialisten wiederrum ein Dorn im Auge war. Die Nationalsozialisten bezeichneten sie als "Swing-Jugendliche". Teil des Lebensstils waren karierte Anzüge, kurze Röcke, längere Haare und Accessoires wie Hut und Regenschirm. Die Nationalsozialisten bestraften dieses unkonforme, oppositionelle Verhalten zum Teil sehr schwer: Jugendarrest, wie in dem eigens für Jugendliche eingerichtete Jugend-KZ Moringen bei Göttingen, war stets eine realistische Gefahr.
JUDEN UND JÜDINNEN
Wenn man an nationalsozialistische Verfolgung denkt, dann denken viele in erster Linie an die Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens. Und dies hat gute Gründe. Die Nationalsozialisten stürzten sich wahnhaft und hemmungslos auf das Feinbild des Juden und machten es zu einem zentralen Aspekt ihrer Rassenideologie. Die nationalsozialistische Judenverfolgung setzte sofort nach der Machtübernahme ein und radikalisierte sich nach Kriegsbeginn hin zu einem beispiellosen Massenmord. Die "Endlösung der Judenfrage" sah das Nazi-Regime in der systematischen Massenvernichtung der europäischen Juden, deren letzte, grausame Details bei der Wannseekonferenz im Januar 1942 beschlossen wurden. Rund 6 Millionen europäische Juden und Jüdinnen wurden ermordet.
KRITISCHE ÄUSSERUNGEN
Während der nationalsozialistischen Herrschaft war es sehr gefährlich, seine Meinung frei zu äußern. Wenn man beispielsweise die NS-Führungsriege kritisierte oder den Krieg als verloren bezeichnete, und diese Aussagen verraten wurden, konnte diese Handlung unter den Straftatbestand der "Wehrkraftzersetzung" fallen. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Äußerungen im privaten oder im öffentlichen Rahmen getätigt wurden. Denn, so hatte es die NS-Justiz geregelt, Äußerungen in einem begrenzten Personenkreis galten als "öffentlich", da sie publik gemacht werden könnten. Im schlimmsten Fall wurde die Straftat der "Wehrkraftzersetzung" mit dem Tode bestraft.
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MENSCHEN MIT BEHINDERUNG
Der NS-"Rassenhygiene" nach musste die "Erbgesundheit" des deutschen Volkes geschützt werden. Es durfte daher keinen Platz geben für Menschen mit Behinderungen oder psychisch Erkrankte, die die "Erbgesundheit" angeblich gefährdeten. Das Nazi-Regime bezeichnete die Betroffenen, oder die, die sie als solche identifizierten, als "unwertes Leben" oder "Ballastexistenzen". Sie wurden systematisch zwangssterilisiert oder ermordet. Zynisch sprach das Nazi-Regime von Euthanasie, um es so darzustellen, als sei der Tod für die Betroffenen eine Gnade gewesen. Diese auch als NS-Krankenmorde oder "Aktion T4" (benannt nach der Adresse der Zentraldienststelle in der Tiergartenstraße 4 in Berlin) bekannten Vorgänge waren in Wahrheit systematisch geplante, grausame Massenmorde. Der "Aktion T4" fielen bis zum Jahr 1941 ca. 70.000 Menschen in Tötungsanstalten wie Hadamar oder Grafeneck zum Opfer. Insgesamt wurden ca. 250.000 Menschen mit Behinderung durch die Nazis ermordet.
OPFER DER NS-MILITÄRJUSTIZ
Soldaten und andere Angehörige der Wehrmacht waren während der nationalsozialistischen Herrschaft der strengen NS-Militärjustiz unterworfen. Viele Straftaten wie "Feigheit" oder Befehlsverweigerung wurden sehr hart, und schwere Straftaten wie die "Fahnenflucht" oder Desertion auch mit dem Tode bestraft. Eine weitere schwere Straftat, die mit dem Tode bestraft werden konnte, war die "Wehrkraftzersetzung". Darunter fielen die Kriegsdienstverweigerung, Selbstverstümmelung und "defätistische" Äußerungen. Selbst die freie Meinungsäußerung von Angehörigen der Wehrmacht im privaten Raum war gefährlich, denn sie konnten denunziert werden und für ihre kritschen Aussagen zum Tode verurteilt werden.
"POLENLIEBCHEN"
Mit dem herabwürdigenden Begriff des "Polenliebchen" bezeichneten die Nationalsozialisten Frauen, denen ein (sexuelles) Verhältnis zu einem polnischen Mann unterstellt wurde. Der "Geschlechtsverkehr mit einem Ausländer" war eine Straftat und wurde mit einer Haftstrafe belegt. Doch auch schon bloße Freundlichkeit oder Großzügigkeit gegenüber polnischen Zwangsarbeitern konnte mit der Deportation in ein KZ geahndet werden. Die betroffenen Frauen erlitten häufig außerdem Diffamierungen und unwürdige Behandlungen, manchen wurden beispielsweise die Haare geschoren.
POLITISCH VERFOLGTE
Als „Politische“ wurden alle politischen Gegner des Nationalsozialismus betrachtet. Es handelte sich hier oft um Kommunist:innen, Sozialdemokrat:innen und Gewerkschafter:innen, aber auch Widerstandshandlungen jenseits einer parteipolitischen Orientierung führten zu einer Einordnung als „Politischer“. Nach dem Warschauer Aufstand z.B. wurden Mütter mit ihren Kindern in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert – auch die Kinder erhielten den roten Winkel der „Politischen“.
POLNISCHE MINDERHEIT
Die nationalsozialistische Propaganda hetzte von Beginn an massiv gegen das Nachbarland Polen und die polnische Bevölkerung. Eine heute weniger bekannte Gruppe von Menschen, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurde, ist die der in Deutschland lebenden polnischen Minderheit. Insbesondere nach dem Überfall Deutschlands auf Polen im September 1939 war sie der Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Eine Gruppe innerhalb dieser Minderheit sind die Mitglieder des "Bund der Polen in Deutschland". Diese Minderheitenorganisation, die sich beispielsweise den Themen der Bildung, Kultur und Sport widmete und eine eigene Zeitung herausgab, wurde im Februar 1940 von den Nationalsozialisten wie alle anderen polnischen Organisationen in Deutschland verboten. Ihr Vermögen, darunter das "Polnische Haus" und die Arbeiterbank in Bochum, wurden durch den NS-Staat beschlagnahmt. Ihre Mitglieder, ca. 2.000 Aktivisten, wurden verhaftet und in KZs deportiert.
RELIGIÖS VERFOLGTE
Viele Menschen fühlten, dass ihr christlicher Glaube nicht mit den nationalsozialistischen Ideologien und Gräueltaten zusammenpasste. Wie ließen sich beispielsweise die Morde in Heil- und Pflegeanstalten mit dem christlichen Grundsatz der Fürsorge für Schwache und Kranke in Einklang bringen? Manche Menschen solidarisierten sich aufgrund ihrer christlichen Überzeugungen mit Menschen, die das nationalsozialistische Regime vernichten wollte, oder gingen sogar in christlich motivierten Widerstand. Die Gruppe der "Ernsten Bibelforscher" (heute "Jehovas Zeugen"), einer streng pazifistischen christlichen Gruppierung, wurde besonders stark verfolgt. Ihre Mitglieder waren nicht bereit, die Autorität des Staates zu akzeptieren und verweigerten beispielsweise den Hitlergruß und den Wehrdienst. In der Folge wurden viele von ihnen in KZs deportiert und ermordet.
SCHWARZE MENSCHEN
Die Diskriminierung gegen Schwarze Menschen nahm während der NS-Zeit massiv zu. In der Öffentlichkeit wurde mit Hetzkampagnen Stimmung gegen sie gemacht. Viele hatten große Schwierigkeiten bei der Arbeits- oder Wohnungssuche. Diese Umstände zwangen einige Frauen ungewollt in die Prostitution. Andere Menschen wurden bei so genannten „Völkerschauen“ wie Tiere im Zoo vorgeführt oder dazu gebracht, in menschenverachtenden Propagandafilmen aufzutreten. Viele Schwarze Menschen wurden außerdem zwangssterilisiert.
SINTI UND ROMA
Schon lange vor und auch nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft waren die ethnischen Gruppen der Sinti und Roma (Rom = Mensch) offener Gewalt, Diskriminierung und Vertreibung ausgesetzt. Die Nationalsozialisten schlossen die Sinti und Roma in ihre wahnhafte Rassenideologie ein: Im Juni 1936 wurden sie in einem Erlass als "das dem deutschen Volkstum fremde Zigeunervolk" bezeichnet. In der Folge waren Sinti und Roma der radikalen und systematischen Verfolgung und Ermordung ausgesetzt. Sie wurden häufig als Kriminelle stigmatisiert und als sogenannte "arbeitsscheue" in KZs inhaftiert. "Reichsführer"-SS Heinrich Himmler befahl am 16. Dezember 1942 im KZ Auschwitz ein "Zigeunerlager" zu errichten, in das ca. 23.000 Sinti und Roma deportiert wurden. Heute ist der 16. Dezember der Gedenktag für die Verfolgung der Sinti und Roma durch das NS-Regime. Vorsichtigen Schätzungen zufolge wurden im 20. Jahrhundert rund 500.000 Sinti und Roma ermordet.
ZWANGSARBEITER:INNEN
Die vom Deutschen Reich begonnenen Kriege führten dazu, dass dort Millionen Männer aus allen Arbeitsbereichen herausgezogen wurden. Um die Wirtschaft aufrechtzuerhalten, verschleppte das nationalsozialistische Regime über 13 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit in das Reichsgebiet oder ließ sie in den besetzten Gebieten für das Deutsche Reich arbeiten. Die Zwangsarbeiter:innen mussten in Fabriken und auch in KZs zumeist die schwersten Arbeiten verrichten. Ihre Behandlung, die Unterkünfte und Verpflegung waren zumeist menschenunwürdig und richteten sich damit nach dem Stellenwert, der ihnen gemäß der rassistischen NS-Ideologie zugeschrieben wurde: Vor allem slawischstämmige Menschen sollten als Arbeitssklaven ausgebeutet werden.